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Schaar: Neues Grundrecht stärkt den Datenschutz

29.02.2008

Pressemitteilung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 27.2.2008:

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung: Neues Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme stärkt den Datenschutz. Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungsschutzgesetz des Landes NRW (LVerfSchG NW) erklärt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar: Das ist die aus Datenschutzsicht wichtigste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Volkszählungsurteil von 1983.

In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte gewichtig gestärkt. Die Entscheidung hat gravierende Folgen für den Bundesgesetzgeber. Sie ist bei der anstehenden Novellierung des BKA-Gesetzes strikt zu beachten. Darüber hinaus gehören die Vorschriften auf den Prüfstand, welche die vertrauliche Verwendung informationstechnischer Systeme einschränken, etwa die Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Bestimmungen zur Vorratsspeicherung von Internet- und Telekommunikationsdaten und die Bestimmungen zur Beschlagnahme von IT-Systemen. In den letzten Jahren sind die Befugnisse der Sicherheitsbehörden stetig ausgebaut worden. Das Ergebnis ist eine immer umfassendere Überwachung.

Die Stellungnahmen weiterer Datenschützer: LfD Rheinland-Pfalz, LfD Meck-Pomm, ULD, LfD Sachsen, LfD Thüringen

Das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme schützt Daten in Computern, Netzen und anderen IT-Systemen umfassend. Es erstreckt den besonderen Grundrechtsschutz über Artikel 10 GG (Grundgesetz) – Fernmeldegeheimnis – hinaus auch auf Verarbeitungsformen, bei denen es sich nicht um Telekommunikation im engeren Sinne handelt, insbesondere auf die Inhalte von Computer-Festplatten und die Nutzung von Internetdiensten. Das neue Grundrecht flankiert das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und trägt so den neuen Risiken Rechnung, die mit der zunehmenden Vernetzung von IT-Systemen einhergehen.

Auch wenn nach dieser Entscheidung die Online-Durchsuchung unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen zulässig sein wird, entbindet diese Feststellung des Gerichts den Gesetzgeber nicht von seiner Verpflichtung, schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Der Gesetzgeber ist gehalten, den vom BVG erneut betonten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung praktisch zu gewährleisten. Ohne diese Voraussetzungen wäre aber jede Regelung zur Online-Durchsuchung – auf Bundes- wie auf Landesebene – verfassungswidrig. Als Interessenwalter der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger werden die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auf die Umsetzung und Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben achten.

Mit dieser Entscheidung dokumentiert das Bundesverfassungsgericht erneut, dass in einem demokratischen Rechtsstaat ein angemessener Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit unverzichtbar ist. Erneut hat es den Schutz der Menschenwürde als oberstes Verfassungsgebot und den daraus folgenden absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung betont. Positiv hervorzuheben sind schließlich die Ausführungen des Gerichts zum informationstechnischen Selbstschutz, insbesondere zum Einsatz von Verschlüsselungsprogrammen.

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