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Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sind verfassungswidrig und nichtig

02.03.2010

“Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat [am 2.3.2010] entschieden, dass die Regelungen des TKG und der StPO über die Vorratsdatenspeicherung mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind. Zwar ist eine Speicherungspflicht in dem vorgesehenen Umfang nicht von vornherein schlechthin verfassungswidrig. Es fehlt aber an einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung. Die angegriffenen Vorschriften gewährleisten weder eine hinreichende Datensicherheit, noch eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten. Auch genügen sie nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Transparenz und Rechtsschutzanforderungen. Die Regelung ist damit insgesamt verfassungswidrig und nichtig.”

“Die aufgrund der einstweiligen Anordnung vom 11. März 2008 (…) von Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste im Rahmen von behördlichen Auskunftsersuchen erhobenen, aber einstweilen nicht (…) an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten sind unverzüglich zu löschen. Sie dürfen nicht an die ersuchenden Stellen übermittelt werden.”

“Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt. Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland einen weiten Entscheidungsspielraum. Ihre Regelungen sind im Wesentlichen auf die Speicherungspflicht und deren Umfang beschränkt und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen.”

“Angesichts des besonderen Gewichts einer vorsorglichen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung ist diese nur dann mit Art. 10 Abs. 1 GG vereinbar, wenn ihre Ausgestaltung besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Es bedarf insoweit hinreichend anspruchsvoller und normenklarer Regelungen zur Datensicherheit, zur Begrenzung der Datenverwendung, zur Transparenz und zum Rechtsschutz.”

Autor:
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska, externer Datenschutzbeauftragter
Telefon: 089-1891 7360
E-Mail: email@iitr.de

Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska

Über den Autor - Rechtsanwalt Dr. Sebastian Kraska

Herr Dr. Sebastian Kraska gründete die IITR Datenschutz GmbH, die auf den Bereich des betrieblichen Datenschutzes spezialisiert ist und als Anbieter von Datenschutz-Management-Systemen mehr als 2.500 Unternehmen bei der Bewältigung datenschutzrechtlicher Anforderungen unterstützt.

Herr Dr. Kraska selbst ist als Rechtsanwalt ausschließlich im Datenschutzrecht sowie gemeinsam mit Regionalpartnern als externer Datenschutzbeauftragter tätig und betreut dabei Unternehmen und Behörden. Er ist zudem Beirat der Zeitschrift ZD des Beck-Verlages.

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3 Kommentare zu diesem Beitrag:

Bieri Patrick

Das ist ein Missbrauch des Datenschutzes und verhindert faktisch die Verfolgung von Pädophilen auf dem Internet!

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die schweizer Pornoszene dasselbe verlangt. Wir werden sehen, wer sich dafür stark macht, insbesondere welche PolitikerInnen und RichterInnen!

Gruss
Patrick

Dominik Boecker

@Patrick: mit Verlaub: Die Aussage ist ziemlicher Blödsinn.

Die Staatsanwaltschen (und die Polizei als deren Hilfbeamte) haben genug Mittel an der Hand, um Kriminelle im Internet (und damit auch Pädophile) im Internet zu verfolgen und dingfest zu machen. Das zeigt sich auch schon an einem Vergleich der Aufklärungsquoten. Die Aufklärungsquote bei Straftaten beträgt insgesamt zwicshen 50 und 60%, bei Internetdelikten liegt die Aufklärungsquote (ohne(!) Vorratsdatenspeicherung) bei über 80%.

Die genauen Zahlen lassen sich der amtlichen Kriminalstatistik entnehmen.

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