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Kamera-Automatismus

02.08.2008

Nachdem ein vielleicht psychisch Kranker in Kanada einen Bus-Fahrgast überraschend enthauptet hat, darf man übliche Automatismen zur Kenntnis nehmen:

Ein ehemaliger Angestellter des Busbahnhofs in Edmonton sagte […] “Alles ist offen. Man kann alles, was man will, mit an Bord nehmen oder im Gepäckraum verstauen […] Ich wundere mich, dass nicht noch mehr passiert.” In Edmonton setzt man nach dem schrecklichen Vorfall verstärkt auf Überwachungskameras. (Quelle: SPON)

Man lese vorher etwas weiter oben im Artikel das hier:

[…] der zunächst “völlig normal” gewirkt habe […]

Oder im ersten Artikel bei SPON den hier:

[…] Es habe keine Vorwarnung gegeben […] Bis zu der plötzlichen Attacke habe der Mann auf die anderen Passagiere “völlig normal” gewirkt, sich in einer Rauchpause mit einer jungen Passagierin unterhalten.

Also was soll der Ruf nach Kameras? Hätten die mehr bringen können, oder würden die jetzt (wo der Täter problemlos umgehend gefasst wurde) zur Ermittlung beitragen? Hier zeigt sich eindrücklich, mit welchem reinen Automatismus reagiert wird, in der ohnmächtigen Hoffnung, ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen.

Schlimm ist der Satz mit “Ich wundere mich…” von oben. Er suggeriert, so etwas sollte häufiger vorkommen, nimmt diese einzelne Tat, die in dieser Form ein Sonderfall ist, als Anlass, zu generalisieren und eine prinzipielle Gefahr, eine Angst, herbeizureden. Es liegt an jedem Einzelnen, sich solchen Automatismen nicht hinzugeben – die Tat ist schlimm, aber sie ist weder ein Regelfall, noch muss man nun vor jeder Bus- oder Bahnfahrt Angst haben.

Insbesondere wenn sich bestätigt, dass hier eine psychische Erkrankung im Hintergrund steht, sollte man es tunlichst vermeiden, von einem kranken Täter auf die Gesellschaft insgesamt zurück zu schliessen. Zudem mein üblicher Hinweis, dass nichts so unsicher ist, wie ein falsches Gefühl von  Sicherheit – ein wichtiges Argument nicht gegen Kameras, aber gegenüber fehlerhafter genereller Befürwortung von Kameras.

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5 Kommentare zu diesem Beitrag:

Herr Olsen

Full ack.
Führt nur wieder zu einer höheren gefühlten Unsicherheit gefolgt von aufwendigem Aktionismus.
Aber das kennen wir ja seit 9/11 zur Genüge.
siehe:
http://www.dieolsenban.de/blog/2008/08/01/von-messern-bussen-und-der-gefuhlten-unsicherheit/

Ein Mensch

"Ich wundere mich, dass nicht mehr passiert." ist meist gefolgt von "Deshalb müssen wir in Zukunft Macheten, Taschenmesser, Stricknadeln, Wasserflaschen, und sonstige Gegenstände, die ein normaler Reisender unserer Meinung nach nicht braucht, am Eingang abgeben."

Peter Schelling

Dieser undurchdachte Automatismus ist mir beim Lesen des Artikels auch aufgestoßen. Wie naiv manche Leute in dieser Hinsicht sind...

Guido Strunck

Oft wird angenommen Überwachungskameras bringen mehr Sicherheit. Bsp. wenn Busse und Bahnen oder U-Bahnhöfe damit bestückt werden. Wenn dafür aber die vormals vorhandenen Sicherheitsleute abgebaut werden, gibt es sogar weniger Sicherheit als vorher. Denn U-Bahnwachen können in Schlägereien eingreifen. Oder verhindern diese durch ihre gut sichtbare Präsenz. Überwachungskameras werden dagegen oft ignoriert. Als gegen Jahresanfang ein Rentner in einem Münchner U-Bahnhof halbtot geschlagen wurde, geschah das direkt im <Sichtbereich einer Kamera. Die Täter ignorierten diese schlicht, wurden aber im Nachhinein aufgrund des klar ersichtlichen Tathergangs zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

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