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Weitergabe von Patientenakten bei Verkauf einer Arztpraxis

05.10.2008

Ich möchte hier auf ein älteres Urteil des BGH (VIII ZR 4/91) hinweisen, zu finden u.a. in der NJW 1992, ab Seite 737:

Eine Bestimmung in einem Vertrag über die Veräußerung einer Arztpraxis, die den Veräußerer auch ohne Einwilligung der betroffenen Patienten verpflichtet, die Patienten- und Beratungskartei zu übergeben, verletzt das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten und die ärztliche Schweigepflicht (Art. 2 I GG, § 203 StGB); sie ist wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) nichtig.

Im gleichen Heft, ab Seite 729 findet man dazu eine Besprechung von Körner-Dammann, aus der ich nur einen kleinen Teil hier zitieren möchte:

Abgesehen von der grundsätzlichen Mißachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten, die in der Übermittlung seiner Daten an eine externe Verrechnungsstelle liegt, ist diese Weitergabe auch mit ganz handfesten Nachteilen für den Betroffenen verbunden. Man denke nur an die Beschlagnahme ärztlicher Unterlagen. Der Schutz der StPO für diese Unterlagen (§ 97 StPO) knüpft nämlich daran an, daß sie sich beim Arzt befinden, d. h. daran, daß der Arzt Gewahrsam hat. Darüber hinaus ist die Datenverarbeitung bei einer Verrechnungsstelle für den Betroffenen undurchschaubarer als beim behandelnden Arzt, zumal sich die Verrechnungsstellen häufig geographisch an anderer Stelle befinden. Die Wahrnehmung von Informationsrechten des Betroffenen wird auf diese Weise erschwert.

Ein Problemfeld, das sich leider seit den 1990er Jahren nicht wieder ernsthaft auffinden lässt – wahrscheinlich, bis irgendwann der nächste “Skandal” durch die Tagespresse getrieben wird. Es sei hier nochmal daran erinnert, dass speziell Ärzte und Anwälte sich über die (Haftungs-)Risiken bei schluderndem Datenschutz bewusst sein müssen. Der hier von mir rausgesuchte Klassiker des BGH soll einfach als kleine Anregung zur Auseinandersetzung dienen.

Speziell der von Körner-Dammann schon 1992 aufgezeigte Problemkreis von Ermittlungstätigkeiten, die bei undurchdachtem Datenaustausch ausufern können und Schutzmaßnahmen der StPO unterlaufen können, kommt heute verstärkt auf den Tisch: Etwa wenn Provider VDS-, Verbindungs-, und Bestandsdaten durcheinandergewürfelt an Ermittlungsbehörden und private “Ermittler” herausgeben.

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3 Kommentare zu diesem Beitrag:

Aus gutem Grund gebe ich keine konkreten Hinweise zu dieser Frage. Aber ich gebe gerne mehr Links, so ist zu dem Thema zu lesen:

http://www.blaek.de/presse/aerzteblatt/2002/466-467Patientenunterlagen_02_9.pdf

http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=5lbm1.c.84100.de&template=allgemeintb01_lda

http://www.aerztekammer-bw.de/20/merkblaetter/praxisunterlagen.pdf
speziell III und dort dann 5

Und natürlich die Pflichtlektüre:
http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C3596872_L20.pdf

Ich selbst kann (leider) nur mit dem allgemeinen Hinweis schliessen: Spätestens wer besonders sensible personenbezogene Daten verwaltet (vor allem, nicht nur: Arzt, Anwalt, STB) und sich nicht datenschutzrechtlich professionell beraten lässt, muss sich des Risikos bewusst sein das er eingeht. Das hier zitierte Urteil ist insofern nur als Aufhänger gemeint.

McR

Wenn ich obigen Satz richtig verstehe, darf der Verkäufer nicht gezwungen werden, Patientenakten ohne Rückfrage weiterzugeben.

Bin ich damit als Arzt verpflichtet, alle Patienten um Erlaubnis zu fragen ?
Kann ich als Patient damit also den Verkauf der Praxis (mit dem Patientenstamm als Teil des Inventars) erlauben bzw. verhindern ?

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