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Prantl hat resigniert – der Rechtsstaat auch?

12.11.2008

Das BKA Gesetz ist beschlossen, Heribert Prantl hat dazu schon was geschrieben und ich bin schockiert: Denn er hat Recht. Und er hat offensichtlich aufgegeben – was bleibt einem schreibenden Juristen auch anderes in diesen Zeiten übrig?

Es ist wohl keinem aufgefallen, was Prantl gemacht hat und genau genommen muss man auch zwei mal hinsehen damit man es merkt: Zuerst schreibt er – wie wahr – den Absatz hier:

Einer der größten, wichtigsten, ja fundamentalsten Sätze des Grundgesetzes steht in Artikel 19 Absatz 4: Dieser Satz garantiert jedem Menschen, der von “von der öffentlichen Gewalt in seinen Rechten verletzt” wird, dass ihm “der Rechtsweg offen” steht. […] Das neue BKA-Gesetz reißt diesen Schlussstein aus dem Gewölbe.

Er stellt also fest, dass heute ein Stück Rechtsstaat aus dem Sockel gerissen wurde. Und, was tut Prantl nun? Fordert er, dass man diesen Stein wieder einsetzt, der ja immerhin das Fundament unseres Grundgesetzes ist? Mitnichten. Stattdessen fordert er, dass man eine “unabhängige Komission” als “Anwalt des Bürgers” einrichtet. Selbst Prantl ruft nicht mehr danach, dass die, die heute unser Grundgesetz zerrissen haben, es sofort wieder zusammen setzen. Welch Armutszeugnis für uns als Gesellschaft insgesamt, denn es bleibt die bittere Erkenntnis, dass Prantl Recht hat mit dem was er schreibt – was uns heute genommen wurde, was wir uns haben nehmen lassen, werden wir ohne weiteres nicht mehr zurück bekommen.

Der aktuelle Pressespiegel ist ein Abbild dieser Meinung: Ich lese, höre und sehe nur etwas vom “Bundestrojaner”. Als ob das das Ende des Abendlandes wäre. Die Vorratsdatenspeicherung ist ja scheinbar schon Alltag, die Tatsache, dass das BKA

  1. mit dem neuen Gesetz nun mittels Gummiparagraphen Wohnungen betreten darf, auch ohne richterliche Anordnung (§20t BKAG),
  2. dass ebenso Personen ohne klare Regeln durchsucht werden dürfen (§20q BKAG) und besonders lustig,
  3. dass nach §20c III 2BKAG auch noch die Pflicht zur Selbstbelastung entgegen §55 StPO geschaffen wird,

all dies interessiert keinen. Versteht wahrscheinlich auch keiner, in dem Textwust (hier nochmal die Vorlage) irgendwas zu finden ist schon schwierig genug. Von dem §20h BKAG mal ganz zu schweigen, der Nicht-Jurist versteht beim Lesen wahrscheinlich gar nicht, dass:

  1. Nicht nur Verdächtige, sondern auch Dritte belauscht/gefilmt werden dürfen (Absatz 2),
  2. der Präsident des BKA (oder sein Vertreter) Maßnahmen auch ohne Richter anordnen kann wenn “Gefahr im Verzuge” besteht (Absatz 3),

Wir brauchen keinen Bürgeranwalt, keine “unabhängige Kommission”, die letztlich wahrscheinlich so unabhängig ist, wie der dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Was wir brauchen ist die Besinnung auf die Werte unseres Grundgesetzes. Wir brauchen den Artikel 13 GG in der Fassung, in der er wieder das Papier wert ist auf dem er steht.

Immerhin, auch das lässt Prantl weg, weil es einem die Tränen in die Augen treibt: Natürlich wird der Betroffene informiert. Im §20w BKAG findet man die Regelungen zur Benachrichtigung. Oder besser: Die vielfältigen Ausnahmen, wann davon abzusehen ist. Am besten fand ich den Satz am Ende von Absatz 1 dort:

Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen.

Ich übersetze mal:

Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn das BKA dies für richtig befindet.

Den Wahnsinn in diesem Gesetz findet man aber ganz am Anfang. Denn unsere Politiker haben all diese Befugnisse natürlich gut eingegrenzt: Im §4a BKAG findet man den Hinweis, dass das BKA zur Abwehr von gefahren des “internationalen Terrorismus” tätig wird. Klingt doch gut, es bleibt nur eine Frage: Was ist denn bitte Terrorismus?

In den letzten Aufsätzen zum Thema (aber ich lese ja auch nur in Blättchen wie NStZ oder NJW, nicht in so hochtrabenden Werken wie der parlamentarischen Rundschrift) gab es vor allem einen Tenor: Man kann “Terrorismus” nicht definieren. Zur Eingrenzung des Tätigkeitsfeldes wurde also ein Begriff genutzt, der konturlos ist. Unter den man mit gutem Willen von mafiösen Strukturen über Gewohnheitsverbrecher bis zum religiös motivierten Staatsfeind alles fassen kann.

Habe ich Angst? Nein, denn ich habe es schonmal gesagt: Was zur Zeit geschieht, betrifft uns nicht unmittelbar. Die Auswirkungen werden wir in (naher) Zukunft spüren, aber nicht heute oder morgen. Es ist schlimm, was heute geschehen ist. Schlimmer ist, wie viele zusehen und dabei nicht mal verstehen, was da geschehen ist. Als Hoffnung verbleibt wie immer das BVerfG.

Diese Erkenntnis ist in diesen Tagen das grösste Armutszeugnis für unser politisches System, das sich somit zum X-ten Male mit einem Überwachungsgesetz vor dem BVerfG eine Ohrfeige holen wird.

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